Stundenlanger Zugausfall zwischen Lage und Herford
Bahnfahren in Lippe wird unerträglich
Presseinformation vom 16.7.2024
Zum zweiten Mal binnen einer Woche fuhren stundenlang im Kreis Lippe keine Züge Richtung Herford. Ursache ist nicht nur Personalmangel, sondern auch Fehlentscheidungen bei der Deutschen Bahn und mangelhaftes Engagement beim Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe. Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert politische Konsequenzen.
Am Montag, 15. Juli, fuhren erneut bis in die Mittagszeit keine Züge zwischen Lage, Bad Salzuflen und Herford. Bereits am Montag, 8. Juli, waren am gesamten Vormittag keine Züge zwischen Lage und Herford gefahren.
„Während rund um Bielefeld Züge im dichten Takt planmäßig unterwegs sind, findet im Kreis Lippe immer wieder der völlige Zusammenbruch des Bahnverkehrs statt“, kommentiert Rainer Engel, Vorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN für Ostwestfalen-Lippe. „Offenbar kann die Eurobahn das Versprechen nicht einhalten, dass der im Kreis Lippe auf die Hälfte reduzierte Bahnverkehr zuverlässig angeboten fährt. Im Gegenteil: die derzeitigen Baumaßnahmen der Deutschen Bahn verschlimmern die Situation bis zur Unerträglichkeit: Zwischen Lage und Herford ist nur ein einziges Fahrzeug mit einem einzigen Lokführer unterwegs, und wenn der zur Arbeit nicht erscheint, fährt einen halben Tag lang gar nichts, und es gibt keine Alternative.“
Der Fahrgastverband sieht die entscheidenden Organisationsmängel beim Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe, der die Aufträge für das Zugangebot erteilt. „Es muss möglich sein, kurzfristig auch Züge mit Personal von anderen Strecken umzudirigieren, wenn in Lippe kein Zug mehr fährt“, so Engel. „Das kann nur der Zweckverband möglich machen. Den Bahnunternehmen sind durch Verträge die Hände gebunden.“
Die Deutsche Bahn verschlimmert nach Beobachtung des Fahrgastverbands mit ihren Bauarbeiten und Anweisungen die Situation. „Für das kurze Stück von Bielefeld bis Oerlinghausen, das im Augenblick noch befahren werden darf, sind zwei Fahrzeuge unterwegs, obwohl die kurze Strecke auch von einem Fahrzeug mit einem Lokführer bewältigt werden kann. Für diesen unternehmensfeindlichen Fahrplan ist allerdings DB InfraGo (so heißt die Netzgesellschaft der Bahn jetzt) zuständig, die der Eurobahn keinen besseren Fahrplan genehmigt hat. Der Fahrplan ist außerdem so miserabel, dass Bus-Anschlüsse in Oerlinghausen nicht erreicht werden.“
Auch stößt der angebliche Umfang der Bauarbeiten beim Fahrgastverband auf Stirnrunzeln. „Wir haben den Eindruck, dass die Sperrung der Strecke zwischen Oerlinghausen und Lage sowie zwischen Lage und Detmold nur auf Vorrat angeordnet wurde. Bautätigkeiten können wir in diesem Bereich nicht feststellen, und das heißt: Hier wird nichts substanziell erneuert“, erklärt Engel. „Während andere Bauarbeiten ordnungsgemäß organisiert wurden, was an wöchentlich wechselnden Teilsperrungen sichtbar ist – beispielsweise im Raum Bünde (Westfalen), hat die DB InfraGo den Betrieb in Lippe gleich ganz dicht gemacht. Auf Baustellen auf den Straßen wurde keine Rücksicht genommen und nichts abgestimmt, sodass nicht einmal die Ersatzbusse pünktlich unterwegs sein können. In Detmold wird gleichzeitig die Treppe zum Bahnsteig umgebaut, sodass Fahrgäste nur mit großer Mühe von und zum Bahnsteig kommen – dabei müssen alle raus und in den Bus, um weiterzukommen.“
Gravierende Mängel sieht PRO BAHN auch bei der Fahrgastinformation. „Zwar hat die Eurobahn schnell und vollständig über ihre Internetseite informiert, aber das kommt bei vielen Fahrgästen nicht an“, beobachtet Engel. Die Deutsche Bahn gibt die vorhandenen Informationen am Bahnsteig und über die Smartphone-App nicht weiter. Zugausfälle sind im DB-Navigator oft erst zu sehen, wenn die planmäßige Abfahrtszeit vorbei ist. Wer sich auf Informationen der Deutschen Bahn verlässt, hat beste Chancen, beim Umsteigen irgendwo hängenzubleiben und jede Stunde neu zu erfahren, dass nun auch der nächste Zug ausfällt. So habe ich es am Montag auf dem Bahnsteig in Lage selbst erlebt“, so Engel.
Zu wenig Engagement sieht der Fahrgastverband auch beim Besteller des Bahnverkehrs, Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). „Wenn DB InfraGo den Pendlern mit schlecht geplanten Bauarbeiten das Leben zur Hölle macht, dann erwarten wir, dass der NWL und sein Spitzenverband öffentlich kritisieren. Es genügt nicht, dass man im fernen Unna, dem Sitz des NWL, mit den Achseln zuckt und dem Fahrgastverband bedeutet, dass man gegenüber dem Netzmonopol hilflos sei.“
Der nicht mehr planbare Zustand bei der Bahn wird noch Monate lang anhalten, weiß Engel. „Wir kennen schon die nächsten Bauarbeiten rund um den Kreis Lippe, die noch gar nicht in den Fahrplänen stehen. Diese Bauarbeiten werden auch den Fernverkehr massiv beeinträchtigen. Die Deutsche Bahn verkauft derzeit sogar Fahrkarten für ICE ab Bielefeld und Herford, die dort gar nicht halten können, und für andere Züge, die nicht fahren können. Wir können verstehen, wenn aus dem Kreis Lippe besonders viele Menschen der Bahn den Rücken kehren.“