Medienmitteilung Eurobahn-Streichungen in OWL

Lippe wird Eisenbahn-Sibirien

Raum Gütersloh und Münsterland ebenfalls stark betroffen

Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe hat versagt

Scharfe Kritik an Euro Bahn und Zweckverband

Der Kreis Lippe wird ab 8. April 2024 zum Eisenbahn-Sibirien. Tagsüber gibt es keine Direktverbindung mehr von Detmold in das Oberzentrum Bielefeld. Das Angebot im Bahnverkehr für den Kreis Lippe wird damit auf den Stand der 1990er Jahre reduziert. Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert insbesondere die mangelnde Voraussicht durch den zuständigen Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). Aussagen der Eurobahn, mit dem gestern (19.3.) veröffentlichen Konzept könne der Zugverkehr verlässlich gemacht werden, sind fadenscheinig.

Dies gilt auch für den anderen betroffenen Regionen Münsterland, Gütersloh und Minden.

Der Regionalexpress 82 von Bielefeld über Detmold nach Altenbeken wird schon ab kommenden Samstag (23.3.) Nicht mehr verkehren. Die Züge fallen zunächst wegen Bauarbeiten und ab 8. April 2024 aufgrund einer Entscheidung der Eurobahn aus – mindestens bis zu den Sommerferien. Damit verliert Detmold die Anbindung an das Oberzentrum Bielefeld und an den ICE ins Ruhrgebiet und nach Berlin. Ab 8. April sollen die Züge diese Linie nur noch vor 9:00 Uhr verkehren. Dies hat die Eurobahn gestern mitgeteilt.

„Damit wird der Kreis Lippe zum Eisenbahn-Sibirien in Nordrhein-Westfalen. Keine Region des Landes ist von dem grassierenden Mangel an Lokführern so gravierend betroffen,“ erklärt Rainer Engel für den Landesvorstand des Fahrgastverbandes PRO BAHN. „Die Entwicklung war absehbar und ist auf Fehlentscheidungen des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe zurückzuführen. Der Zweckverband hat bei der Eurobahn immer mehr Züge bestellt, ohne danach zu fragen, woher die Lokführer kommen sollen.“ Zuletzt hatte die Eurobahn das Verkehrsangebot anlässlich der Landesgartenschau in Höxter erweitert.

„Seit Jahren ist der Personalmangel absehbar, und unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich jetzt. Noch Ende Dezember hatte sowohl die Eurobahn wie der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) diese Befürchtungen als grundlos zurückgewiesen“, berichtet Engel. „Der Regionalexpress 82 ist fester Bestandteil des seit 1989 entwickelten Modells öffentlicher Verkehr im Kreis Lippe und wird mit dieser Entscheidung zu Grabe getragen. Busse, die sich regelmäßig am Bahnhof Oerlinghausen treffen, haben nunmehr keinen Anschluss mehr nach Bielefeld.“

Nach Angaben der Eurobahn soll die Entscheidung den Bahnverkehr zuverlässiger machen. „Grundsätzlich hält auch der Fahrgastverband PRO Bahn einen zuverlässigen Zugverkehr wichtiger als Züge, die nur auf dem Papier stehen“, erklärt Engel. „Die Eurobahn verweist die Fahrgäste nunmehr auf die Linie 72 von Altenbeken über Detmold nach Herford, die ebenfalls nicht zuverlässig bedient wird. In den letzten Tagen hat es hier wieder Zugausfälle gegeben, teilweise fuhr innerhalb von 6 Stunden nur ein Zug. Die Maßnahmen, die die Eurobahn angekündigt hat, sichern keiner Weise, dass nunmehr zuverlässig Lokführer für diese elektrische Linie zur Verfügung stehen.“ Diese Linie wird mit Personal aus dem Raum Paderborn bedient, die Einschränkungen des Verkehrs der Eurobahn verbessern aber die Lage für diesen Personalstandort nicht.

„Die negative Entwicklung des Personalbestandes bei der Eurobahn war für uns seit mehr als zwei Jahren absehbar“, erklärt Engel. „Die Eurobahn ist ein Unternehmen ohne Zukunft, nachdem sich die französische Staatsbahn zurückgezogen hat, die
Die Eurobahn einst gegründet hatte. Ein Unternehmen ohne Zukunft ist für Arbeitnehmer nicht attraktiv, der Unternehmensstandort Bielefeld-Maisenstraße ist ein Auslaufmodell, dass spätestens 2028 geschlossen werden wird. Gleichwohl hat der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe immer weitere Zugleistungen bei der Eurobahn bestellt und den Vertrag über das Eurobahn-Netz in Ostwestfalen und Lippe noch um drei Jahre verlängert.“

Dass die Einschränkungen nur bis zu den Sommerferien gelten, hält der Fahrgastverband für sehr unwahrscheinlich. „Wir haben eine Durststrecke von mindestens einem halben Jahrzehnt vor uns“, so Engel, „und die Eurobahn hat die schlechtesten Voraussetzungen für die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Auch wenn sie sich darum bemüht. Auf alten Dieseltriebwagen, die in Bielefeld beheimatet sind und die in ein paar Jahren zum Schrott gehen, will doch niemand mehr lernen. Andere Unternehmen und Aufgabenträger in Deutschland ziehen sehr viel deutlicher und klarer Konsequenzen aus einer solchen Situation.“

„Kein anderer Wirtschaftsraum in Nordrhein-Westfalen wird so, wie die Eurobahn es jetzt macht, vom Anschluss an den Fernverkehr abgehängt. Pendler und Studenten mit dem Ziel Bielefeld werden künftig mit überfüllten Zügen vorliebnehmen müssen und viel Wartezeit auf den Bahnhöfen verbringen müssen, wenn sie nicht sich vom öffentlichen Verkehr ganz verabschieden können“, erklärt Engel. „Die Eurobahn selbst steht mit dem Rücken zur Wand. Wir erwarten daher von dem zuständigen Zweckverband, dass dieser weitsichtige handelt.“

Tatsächlich sind auch andere Regionen erheblich von den Entscheidungen der Eurobahn betroffen. So wird der Bahnhof Isselhorst-Avenwedde künftig nur noch alle 2 Stunden von der Bahn bedient. Fahrgäste aus dem Kreis Warendorf müssen künftig in Rheda-Wiedenbrück umsteigen und sind eine Viertelstunde länger unterwegs. Von Münster aus werden die Fahrpläne in Richtung Rheine und Osnabrück n ausgedünnt. Von Minden nach Nienburg werden künftig ausschließlich Busse fahren.

Details und Auswirkungen  zu den Streichungen